Sonntag, 21. Oktober 2007

Neues vom Baron von M. (1)

Den Lügenbaron hatte es wieder mal fast mittellos in eine Dorfschenke verschlagen. Nun ging auch der letzte Krug Bier, ohne Aussicht auf Nachschub, unliebsam zur Neige. Doch derartige Trübsal währte beim Baron natürlich nicht lange, wozu galt er weit und breit als der Erzähler der besten Lügengeschichten?
Bald schon saßen die dummen Bauernlümmel um ihn herum, und er begann (inspiriert durch eine Kutsche, die eben am Wirtshausfenster vorbeigefahren war) von einem Land zu erzählen, das er angeblich vor Jahren besucht hatte. Und dort gab es Erstaunliches: Unter anderem einen Drachen aus Eisen, den man erst gezähmt, dann vor einen langen Wurm aus lauter Eisenwägen gespannt hatte. Natürlich war der Drache manches Mal ganz schön wild, spuckte Dampfwolken aus Ohren und Nase, und Feuer aus dem Maul. Im großen und ganzen ging`s ihm jedoch nicht schlecht, er bekam zu Fressen und zu Saufen, wenn er hungrig oder durstig war, und nachtsüber ließ man ihn in Ruhe. Aber das Seltsamste: Der Drache war zwar so schnell unterwegs, das man meinte, Höhren und Sehen verginge einem - und dennoch flog einem das Hirn nicht aus dem Schädel!
Allerdings, wer damit reisen wollte, der müßte dafür in die Tasche greiffen...was ihn, den Baron, gerade daran erinnere, das sein Krug leer wäre, wenn man verstünde, was er damit meine...?
Schön, selbstverständlich bekam er daraufhin sein frisches Bier - allerdings ohne zu ahnen, das seine Lügengeschichte gar nicht so weit aus der Zukunft hergeholt war.

Sonntag, 14. Oktober 2007

Jugend fragt

Irgendwann hatte es der Maulwurfsjunge satt!
"Warum kriechen wir eigentlich die ganze Zeit in der feuchten Erde herum, wenn es doch oben viel heller und wärmer ist?"
Der Alte unterbrach seine Arbeit, wußte aber darauf im ersten Moment keine rechte Antwort. "Na jaa...wegen...
wegen...äh...". Naja, vielleicht kein Wunder, denn er hatte sein bisheriges Leben praktisch unterhalb der Grasnabe verbracht.
Dem Jungen war das natürlich zu wenig an Erklärung weshalb er lieber zur Tat schritt. Er warf die Schaufel in die Ecke und stieg die Leiter hinauf ins Freie. Leider flog gerade in diesem kritischen Augenblick ein Falke über den Maulwurfshügel dahin. Der ließ sich die leckere Mahlzeit natürlich nicht entgehen, krallte sich den jugendlichen Entdecker und flog mit ihm davon.
Da tauchte der Kopf des Alten im Loch auf. "Zum Beispiel darum eben!", rief er dem Sohn zwar noch hinterher, doch die etwas späte Warnung erreichte diesen nicht mehr.

Sonntag, 7. Oktober 2007

Reifeprüfung

Der Guru aus dem fernen Indien erklärte es den Managern aus dem Westen noch einmal: "Äußerste Konzentration und nicht vom Weg abbringen lassen!"
Damit deutete er auf die wohl schwerste Prüfung, die den Kursteilnehmern heute bevorstand: Ein Becken, randvoll bis obenhin mit Kohle! Die Manager gingen im Geiste nochmals all das durch, was ihnen bis jetzt vermittelt worden war und insgeheim wartete natürlich jeder darauf, das sich irgend jemand anderes vorwagte. Denn bei dieser "Banker-Prüfung" ging es nicht etwa darum, barfuß über glühende Kohlen, sondern vielmehr über - so grob geschätzt rund 1 Million echter Euros - zu gehen, ohne dabei der Versuchung zu erliegen, sich schnell etwas von der verführerischen Kohle in die eigene Tasche zu stopfen.
"Sie da...mit der grünen Krawatte...", wies der Guru schließlich auf den betreffenden, nachdem sich immer noch keiner rührte, "...wenn Sie dann bitte beginnen würden?!"
Der Mann zuckte sichtlich zusammen, während seine Kollegen dagegen sichtlich aufatmeten.